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Montag, 22. September 2014
Die Sache mit Hannes
geistertexter, 15:24h
Da war kein Durchkommen. Die Polizei hatte Absperrgitter in den Weg geräumt und sich dahinter in einer geschlossenen Reihe mit Helm und Schild in Positur gestellt, als gelte es die Eroberung Kreuzbergs durch eine Streitmacht der Klingonen abzuwenden. Herr Braun war entsetzt. Er wollte seinen alten Freund Hannes besuchen. Er hatte Hannes ewig nicht gesehen und ausgerechnet heute in der Früh gegen Mittag so ungefähr war ihm Hannes in den Sinn gekommen, als er eine leere Flasche Korn auf dem Küchentisch hatte stehen sehen. Zuletzt hatten sie heftig gestritten und sich nachtragend getrennt. Hannes wollte damals mit dem Messer los auf Herrn Braun. Er hatte partout nicht einsehen wollen, dass er selbst und nicht wie er meinte, gesehen zu haben, Herr Braun den letzten Schluck getrunken hatte. Ich hab‘ nur ganz kurz nicht hingesehen und schon war er weg der Schluck, mein Schluck, schluchzte Hannes vorwurfsvoll und schlurfte in die Küche. Als er mit einem Brotmesser zurückkam, klatschte Herr Braun ihm eine. Soweit geht die Freundschaft nicht, dachte er, inzwischen in einem Rudel von maulenden Passanten stehend. Vor ihm wurde eine schwangere Frau durchgelassen, sie zeigte ihren Ausweis und durfte gehen. Ach, sieh mal an, dachte Herr Braun und suchte seinen Ausweis in den Hosentaschen. Dabei fiel ihm ein, dass er den schon neulich nicht hatte finden können, als ein Ordnungshüter ihn verknacken wollte, angeblich wegen Urinierens in der Öffentlichkeit, obwohl er sein Ding nur ganz kurz hatte lüften wollen, nur mal um zu sehen, ob es noch da war. Was soll‘s, dachte Herr Braun, stratzte auf einen Schutzbeamten zu, sah ihn dumm an und hörte sich sagen: Ich muss zu Hannes. Kenn‘ ich nicht, grinste der Andere. Hannes ist mein Freund, er ist krank, er braucht Hilfe, jammerte Herr Braun und schwitzte bei dem Gedanken, vielleicht gleich zu Hannes in den vierten Stock klettern zu müssen. Dieses ganze Gequatsche nur wegen Hannes. Herr Braun war sich nicht mehr sicher, ob sich Hannes noch lohnte. Womöglich hatte er eh nichts zu Hause. Obwohl das eigentlich unmöglich war bei Hannes. Was fehlt ihm denn? fragte der Andere. Weiß nicht, weiß niemand, sagte Herr Braun. Sieht schon tot aus, ist aber nicht tot, sagt der Arzt. Herr Braun hatte sich gerade rechtzeitig noch an die Worte eines Pflegers irgendwann im Urban erinnert und staunte nicht schlecht als der Andere nach kurzem Zögern einen Schritt beiseite ging und den Weg freigab. Na dann, geh mal zu Hannes und grüß ihn schön. Herr Braun nickte stumm und fragte sich, ob dieser Mensch mit Hannes bekannt sei. Wenn Hannes neuerdings Bekannte bei der Polizei hatte, dann musste er die Freundschaft mit Hannes noch einmal überdenken, dachte Herr Braun als er den Hauseingang von Hannes erreichte und sich dem Klingelschild zuwandte. Auf dem Klingelschild war Hannes nicht zu finden. Da öffnete sich die Haustür und eine ältere, stark gebückte Frau kam umständlich mit ihrer Gehhilfe heraus. Zu wem wollen sie? fragte sie streng. Zu Hannes. Ich kenne keinen Herrn Hannes. Er heißt Wohlgemuth der Hannes. Herr Wohlgemuth ist ausgezogen, junger Mann. Wohin, fragte Herr Braun. Böhmischer Gottesacker, das muss letzten Sommer gewesen sein. Davon hat er mir nichts erzählt, sagte Herr Braun und fühlte sich plötzlich um seinen Besuch beim Hannes betrogen. Er hätte doch was sagen können, dachte Herr Braun. Uuh, wie das gestunken hat, wochenlang. Die Dame machte ein langes Gesicht und schaute angewidert zu ihm herauf. Dann kam die Feuerwehr und holte ihn, den Armen. Herr Braun musste einsehen, dass es nix war mit Hannes, dass die Sache mit Hannes verloren war. Was für ein Versager dieser Hannes, schon immer gewesen.
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