Donnerstag, 17. Dezember 2015
Die Lieder des Blutes
Alles war voll damit, das Laken, das Kopfkissen, auch seine Haare schwammen in der purpurfarbenen Flüssigkeit. Sein Körper fühlte sich an, als würde dieser in seinen eigenen Säften ertrinken, die unwillkürlich aus ihm ausgetreten waren und ihn nun in eine Landschaft des Leidens betteten. Herr Braun mochte nicht weiter lesen. Schwester Gerda hatte ihm das Buch in die Hand gedrückt, ein billiges, braunfleckiges Taschenbuch mit einigen fehlenden Seiten und eingerissenem Umschlag. Hier lies das, hatte sie gesagt, ist guter Stoff. Der Titel hatte ihn angesprochen: Die Lieder des Blutes. Das klang doch poetisch, irgendwie. Ja irgendwie, wie überhaupt alles irgendwie war oder irgendwann sein könnte, dachte er. War er nicht auch ein Poet? Auf seine Art? Aber dieses viele Blut berunruhigte ihn. Körper, die auslaufen, und zerstückelt werden, tagaus, tagein. Herr Braun dachte an die Ärzte und die Schwestern, um ihn herum, junge, hübsche Menschen im Kampf gegen dieses blutende Ungeheuer, dass manche Krankheit nennen und manche Leben. Er legte das Buch neben sich und schloss genießerisch die Augen. Gleich würde Schwester Gerda kommen und ihm einen Einlauf machen.

... comment