Samstag, 26. Dezember 2015
Ein Einzelzimmer
Der alltägliche Schrei der Erleichterung war soeben verklungen, als Herr K. ins Zimmer trat. Wie immer täuschte der erste Eindruck. Seine dunstige Ausstrahlung, seine Abgerissenheit zeugten nicht von schlichter Armut oder einfältigem Desinteresse seiner selbst gegenüber, Herr K. wollte genau den trüben Eindruck machen, den er machte. Darüber hinaus wirkte er regelrecht aufgeräumt: Herr Braun, wie freut es mich, Sie wieder wohlauf anzutreffen. Herr Braun glaubte, sich verhört zu haben. Dieser Satz klang nun gar nicht nach Herrn K.. Hatte der einen Deutschkurs besucht? Davor hatte er ihn doch stets gewarnt. Da seine Stimme hätte verraten können, wie sehr ihn dieser Besuch berunruhigte, nickte Herr Braun nur. Herr K. fasste dieses Zeichen als Aufmunterung auf, näher zu treten. Eine gasige Übelkeit ergriff nun vollends Besitz von dem kleinen Raum. Schwester Gerdas fester Blick begann nervös zu flackern, mehrmals rümpfte sie die Nase, dann verschwand sie eilig ohne ein Wort. Auch Herr Braun sah sich gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen zu seinem eigenen Besten. Er streckte seine flache Hand in die Höhe: Halt, danke, das genügt, sagte er bereits leicht panisch. Der Hygnienewahnsinn musste auf ihn abgefärbt haben. Früher hatte er sich in Herrn K.s Nähe vollkommen ungezwungen gefühlt. Herr K. blieb stehen, freudig schmunzelnd, als würde er vom Chefarzt persönlich empfangen. Ein Einzelzimmer, sagte er andächtig, ein Einzelzimmer. Herr Braun nickte wieder, beinahe stolz: Ja, ein Wunder, nicht wahr. Wissen Sie, ich traf ihre Frau Mutter im Berufsverkehr, sagte Herr K., neben einem freien Platz. Unglaublich! Sie erzählte mir alles.

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