Montag, 29. September 2014
Frau Engel
Irgendwann nach Mitternacht. Die Luft stand still, kein Laut war zu hören, nur Herr Braun, wie er im Treppenhaus hockte und kotzte. Auf einmal wurde ihm schwummerig und er wollte schlafen. Doch der Weg nach Hause war weit. Helle Bastmatten mit goldenen Leisten verkleideten die Stufen und die Wände waren in zartem Sonnengelb gestrichen. Wie war er hier hingeraten, fragte er sich noch, dann wurde es schlagartig dunkel, und er streckte alle Viere von sich. Als er wieder erwachte, leckte ihm ein großer Hund lang und breit das Gesicht ab. Der Hund hatte viel Fell und kleine Augen. Herr Braun kannte den Hund nicht, obwohl er sonst mit allen Hunden in seiner Umgebung gut bekannt war. Kurz darauf schimpfte eine grelle Stimme: Igitt, du Ferkel, lass das. Der Hund wurde gegen seinen Willen abgeführt. Abermals kam die Dunkelheit über ihn. Der nächste Traum fühlte sich feucht an, als läge er in einer inkontinenten Dusche. Er öffnete nur widerwillig die Augen, der Wasserhahn musste doch irgendwo da oben sein, und er sah einen blassen, sommersprossigen Jungen über sich stehen, der ihm auf den Kopf pinkelte. Herr Braun schlug schwer atmend mit seinem bereits durchnässten rechten Arm nach ihm. Er wollte etwas sagen, ihm Bescheid stoßen, schnaufte aber nur unverständliches Zeug. Der Junge lachte und lief weg. Herr Braun spielte kurz mit dem Gedanken, diesem bedauerlichen Zwischenfall ein Ende zu machen und sein Bett aufzusuchen, wo immer es auch stehen mochte, irgendwie würde er es schon schaffen, das hatte er bislang noch immer, doch sein schwerer tauber Körper sackte wiederholt in sich zusammen und ergab sich schließlich ganz seinem Bedürfnis nach Frieden. Eine unbestimmte Weile darauf war es Herrn Braun, als würde sich jemand an seiner Jacke zu schaffen machen. Wie ein Blitz durchzuckte ihn nun die Euphorie der zwei roten Scheine, die ihm seine Mutter Tags zuvor geliehen hatte, damit er sich anständige Kleidung verschaffe, wie sie sich ausgedrückt hatte. Er wollte sich aufrichten, eine sanfte Bewegung kam seiner Absicht aber zuvor. Sie erklärte mit entschiedener Stimme: Bleiben Sie bitte liegen, ich möchte ihren Puls prüfen. Herr Braun sah auf und senkte im gleichen Moment wie geblendet die Lider. Eine junge, weiß gekleidete, blonde Frau saß im zwielichtigen Schein des Morgens neben ihm und lächelte. Schon wollte er protestieren, niemand sollte glauben, er wäre nicht imstande, allein seinen Weg zu gehen, als ihn jemand von hinten unter die Arme griff und auch seine Füße im nächsten Moment in der Luft schwebten. Jetzt ist es soweit, dachte er.

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