Freitag, 26. Juni 2015
Koma
Der Schweiß rann in kleinen wirren Bächlein über die Stirn. Die Augen brannten. Herr Braun versuchte einen seiner Arme zu heben und den Schweiß beiseite zu wischen. Doch gelang es ihm nicht. Beide Arme hingen fest, wie angenagelt. Kurz blinzelte er und sah wie durch einen glitzernden Vorhang einen Mann neben sich auf dem Bett sitzen. Der Mann trug einen roten, wattierten Kapuzenmantel und um das Kinn herum einen langen, weißen Bart. Die Schwester meinte, sie seien wach, sagte der Mann. Welche Schwester, fragte sich Herr Braun. Meine Schwester, um Gottes Willen, wieso ist die hier? Drei Wochen lagen sie im Koma, sagte der Mann im roten Mantel. Erkennen Sie ihren Mantel, ihren Bart?. Wir haben heute eine kleine Feier, da haben wir uns nichts dabei gedacht und ihr Kostüm ausgeliehen, sie haben doch nichts dagegen, nein, wieso auch, nicht wahr. Ihr Puls ist gut, soweit ist alles klar. Alles andere kommt bei ihnen auch wieder in Ordnung, Herr Braun, da bin ich zuversichtlich. Natürlich kann das dauern, das dauert ja immer, das hängt ganz von ihnen ab, aber sie schaffen das. Nun muss ich aber schnell zurück, die Pflicht ruft. Sie kennen das ja, sagte der fremde Mann, der inzwischen aufgestanden war, mit einem hohlen Grinsen zwischen den weiß blitzenden Zähnen. Und auch Herr Braun verschwand aufs Neue, tief versunken in der unerhörten Schwermut seiner Nacht.

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